Geschichte
Meilensteine unserer Vereinsgeschichte
Historie der Ortsgruppe des Schwarzwaldvereins Gernsbach aufgezeichnet anlässlich des 140-jährigen Jubiläums am 22. Juni 2014
In unseren Erinnerungen müssen wir sehr weit zurückgehen, wollen wir die Geschichte des Gernsbacher Schwarzwaldvereins erforschen.
Versetzen wir uns in das letzte Viertel des 19. Jahrhunderts:
Der gewonnene Deutsch-Französische Krieg hatte für die Schwarzwald-Region eine wirtschaftlich günstige Entwicklung genommen. Aus dem „Schnitztal“, wie man das Murgtal im Volksmund bezeichnete, wurde nach und nach ein kleiner wirtschaftlicher Ballungsraum, der Bürgerwohlstand und vor allem der einsetzende Tourismus beflügelte – man sprach zu jener Zeit von „Fremdenverkehr“, denn Fremde im Tal zu haben, war etwas völlig Neues.
Begünstigt wurde dieser „Fremdenverkehr“, als 1869 die Reichsbahn von Rastatt nach Gernsbach in Betrieb genommen wurde, um Menschen und vor allem das wichtige Holz aus dem Murgtal in alle Welt zu befördern. Nachzulesen ist dies durch den erschienenen Roman „Die Holzbarone“, der das Leben jener Zeit in Gernsbach und dem Murgtal bis in die Neuzeit beschreibt und der auch nichts verschweigt, was in der Nazizeit an Unrecht und Verbrechen geschah.
Durch das nahe Baden-Baden und den Kurort Rotenfels, wo heute wieder der sogenannte „Chaissenweg“ nach Baden-Baden ein Wanderweg geworden ist, bildete die Stadt Gernsbach die dritte Spitze eines touristischen Dreiecks.
Es gab in Gernsbach gut geführte Hotels und Gaststätten: Ein Kurpark und ein Kurhotel wurden geschaffen und illustre Persönlichkeiten waren zu Gast in dieser Murgtalperle, darunter der preußische Generalstabschef von Moltke, russische Generäle und Großfürsten, Gäste aus dem gesamten europäischen Raum und sogar aus Übersee.
Der sehr rührige Bürgermeister Friedrich Abel rief eine „Verschönerungskommission“ ins Leben (heute heißt es „unser Dorf, unsere Stadt, soll schöner werden…) und gründete 1873 ein „Kur-Komitee“. Abel hatte sich in der Badischen Revolution von 1848 als „Freischärler“ gegen die Obrigkeit aufgelehnt, wurde verfolgt und musste 1849 seine Heimatstadt Gernsbach verlassen und in den Vereinigten Staaten von Amerika mühsam sein Leben fristen. Zurückgekehrt trieb ihn seine Weltoffenheit, sein Tatendrang und seine demokratische Gesinnung dazu, seine Heimat lebenswerter zu machen.
Neben ihm waren weitere Gernsbacher „Männer der ersten Stunde“ wie Forstinspektor Gerwig, die Ärzte Dr. Faas und Dr. Neumann, Theodor Fischer und die Gastwirte Gerber, Speirer und Pfeiffer, Namen, die man in Gernsbach kennt.
Es gibt leider keinerlei Aufzeichnungen über die Gründung der Sektion Gernsbach des Badischen Schwarzwaldvereins. Die Annahme, dass sich der Gernsbacher Schwarzwaldverein eben aus dem Kur-Komitte entwickelte, ist nicht von der Hand zu weisen, denn die Sonderaufgaben wie Wegemarkierungen, Aufstellen von Sitzbänken, der Bau von Schutzhütten waren Bestrebungen des neuen Vereins.
In der Gernsbacher Lokalzeitung „Der Murgtäler“ wird in der 99. Ausgabe vom 12. Dezember 1874 darüber berichtet, dass das Kur-Komitee aus der Stadtkasse und mit einen Zuschuss des zehn Jahre zuvor, also 1864, gegründeten Freiburger Badischen Schwarzwaldvereins, die Arbeit des am 19. Mai 1874 gegründeten Schwarzwaldvereins Gernsbach unterstützt habe.
Ein weiterer Beleg für das Gründungsjahr 1874 ist die Hauptversammlung des Badischen Schwarzwaldvereins Freiburg in Gernsbach.
Der „Murgtäler“ vom 14. Juni 1899 schreibt:
Die Sektion Gernsbach des Schwarzwaldvereins arbeitet bereits seit 25 Jahren daran, die Schönheiten unseres sagenumwobenen Murgtals immer weiteren Kreisen bekannt zu machen. Schon im Jahre 1873 wurde unter dem damaligen Präsidenten des Badischen Landesvereins, Herrn Generalleutnant Boekh, ein Bezirksverein mit 28 Mitgliedern organisiert, die sich am 19. Mai 1874 zu einer Ortsgruppe Gernsbach des Schwarzwaldvereins formierte.
Präsident Neumann dankte 1899 der 25 Jahre alten Ortsgruppe, die nach dem 1864 in Freiburg entstandenen Verein am 19. Mai 1874 die erste gegründete Ortsgruppe im Schwarzwald in Gernsbach gegründet habe.
Somit ist belegt: Gernsbach war nach Freiburg Vorreiter schwarzwaldbezogener Vereinsarbeit. Darauf sind wir stolz und fühlen uns verpflichtet, dieses „Erbgut“ weiter zu pflegen, wenn gleich es in der heutigen Zeit nicht einfacher geworden ist, denn unsere schnelllebige Mediengesellschaft vergisst nur allzu leicht, die Vorteile der Naturverbundenheit und Naturpflege zu schätzen.
Die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert und die Jahre danach waren wohl sehr fruchtbar: Man wollte sich engagieren; Vereinszugehörigkeit und die aktive Teilnahme waren und sind typisch deutsch und es gehörte einfach zum guten Ton, sich gesellschaftlich ohne persönlichen Vorteil einzubringen. Man wünscht sich wahrlich, dieser Idealismus wäre auch heutzutage noch so.
Damals wurde Vortreffliches geleistet: Die erste Arbeit war die Errichtung der Schutzhütte auf dem Fechtenbuckel, die aber leider durch einen Brand zerstört wurde. Wege wurden markiert und erschlossen – auch heute noch ein wichtiger Bestandteil der Arbeit des Schwarzwaldvereins.
Ein neuer Turm sollte errichtet werden. Dazu bot sich der fast 1000 Meter hohe Rücken des Hohloh an, unmittelbar neben dem Jagdrevier des Großherzogs gelegen. Schon 1856 gab es dort ein Holzgerüst, das aber 1895 wegen Baufälligkeit abgerissen werden musste.
Die Ortsgruppe des Schwarzwaldvereins trat mit Genehmigung des Großherzogs als Bauherr auf den Plan. Baubeginn war der 10. Mai 1897, am 12. August stand der „Kaiser-Wilhelm-Turm“ auf dem Hohloh.
Die Gernsbacher Ortsgruppe wurde durch diesen Erfolg zu weiteren Taten animiert und zusammen mit der Ortsgruppe Herrenalb baute man auf der Teufelsmühle einen weiteren Aussichtsturm mit einer Unterkunftshütte anstelle einer Holzhütte, die kurz nach der Jahrhundertwende abgebrannt war. Am 25. September 1910 wurde der Turm dann eingeweiht und ist auch heute noch, wie der Hohlohturm, ein beliebtes Ausflugs- und Wanderziel.
Am 29. September 1982 verkaufte die Ortsgruppe Gernsbach ihre Anteile am Teufelsmühlenturm endgültig an die Ortsgruppe Bad Herrenalb, auch deshalb, um die Finanzierung des Vereinsheimneubaus in der Gernsbacher Faltergasse zu erleichtern.
Am 10. Januar 1914 – kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges – fand die vorläufig letzte Jahreshauptversammlung des Gernsbacher Vereins statt. Der Mitgliederbestand belief sich auf 103 Mitglieder.
Viele männliche Mitglieder zogen in den Krieg und so mancher kehrte nicht mehr in seine Heimat zurück. Für die lange Zeit des Weltkrieges und in der Nachkriegs- und Inflationszeit lag die Vereinstätigkeit zumeist danieder; die Menschen hatten um ihr Überleben zu kämpfen; für Ideale war kaum Geld und Zeit vorhanden.
Und doch feierte man den 50. Vereinsgeburtstag vom 12. bis zum 14. Juli 1924 zusammen mit dem Hauptverein, der wieder einmal in Gernsbach zu Gast war und sich an „seinem ersten Kind”, der „Ortsgruppe Gernsbach“ erfreuen konnte.
Das historisch alte Rathaus wurde kurzerhand zu einem Heimatmuseum umfunktioniert und die Gernsbacher Mitglieder warteten mit einer bunten Schau auf. Es gab eine Wanderung zur Besichtigung des Murgwerkes, vorbei an der gerade im Bau befindlichen Staumauer der späteren Schwarzenbachtalsperre.
Einen tiefen Einschnitt erlebte der Schwarzwaldverein während der nationalsozialistischen Zeit:
Staat, Einheitspartei, Vereine und gesellschaftliche Gruppierungen wurden im Zuge der Gleichschaltungsgesetzgebung oftmals gegen den Willen der Betroffenen miteinander verschmolzen. Staat und Partei wollten und sollten überall und in allen Belangen ihren Einfluss ausüben können.
Dabei hatte der Schwarzwaldverein doch noch Glück.
Am 04. September 1933 kam es zur Verschmelzung des Badischen mit dem Württembergischen Schwarzwaldverein unter der einfachen Bezeichnung „Schwarzwaldverein“. Damit konnte man leben, wenngleich es doch wohl manchmal zu Spannungen zwischen Badenern und Schwaben gekommen sein wird.
Man konnte sich daher wenigstens gemeinsam die eigenen Ideale des Wanderns, der Heimatpflege und der Naturverbundenheit bewahren.
So fanden unter den alten und jetzt neuen Vereinsstatuten auch in Gernsbach Neuwahlen statt:
1. Vorsitzender wurde der Prokurist August Wittenauer, sein Stellvertreter war der Schreinermeister Franz Kappler, Hugo Maier, der Stadtarchivar, wurde Rechner, Schriftführer war der Hauptlehrer Karl Lederle und als Beisitzer fungierte Fabrikdirektor Franz Kappler aus Scheuern.
Fortan wurde alles nach „Oben“ gemeldet und von „Oben“ kamen die leidigen Instruktionen, unterzeichnet jeweils mit dem Diktatorgruss.
Als dann der 2. Weltkrieg begann, die Männer eingezogen wurden und mehr und mehr Not herrschte, dann der Krieg Gott sei Dank verloren ging, Hunger und Erwerbslosigkeit den Alltag bestimmten, dachte lange Zeit niemand mehr an die Ideale unseres Vereins. In dieser Zeit des Mangels übernahm Bankdirektor W. Schulz die kommissarische Leitung des Vereins, bis am 17. März 1954 wieder eine ordentliche Versammlung mit Neuwahlen durchgeführt wurde. Der Mitgliederbestand war auf 99 Mitglieder gesunken und die Zeit des beginnenden Wirtschaftsaufschwungs verlangte auch auf gesellschaftlichem Gebiet eine Neuorientierung. Zum Glück gab es zwei Männer, die das Vereinsschiff wieder flott machten:
Da war zunächst der unvergessene Richard Orth, der die Vereinsführung übernahm, der darauf bedacht war, Kinder und Jugendliche nachzuziehen und sie zu begeistern.
Er und der Verein wurden dabei tatkräftig unterstützt von den Herren Dr. Gerd und Dr. Klaus Hoesch der Papierfabrik Schoeller & Hoesch, Vorgängerfirma der heutigen Firma. Glatfelter, die nach wie vor Papiererzeugnisse herstellt und deren fachausgebildeter Nachwuchs auch von Deutschlands Papiermacherschule in Gernsbach rekrutiert wird. Beide: Firma und Schule genießen einen hohen Qualitätsstandard und sind über die Grenzen Deutschlands hinweg bekannt.
Diese Herren Hoesch waren von der Arbeit und Notwendigkeit eines Schwarzwaldvereins so dermaßen überzeugt, dass sie ihren Mitarbeiter Richard Orth immer wieder für Vereinsaufgaben von seiner Arbeit freistellten, um das zu bauende Vereinsheim zu planen, mit Vereinsmitgliedern unter Architektenaufsicht zu errichten und um sich um die Belange des Vereinsneuaufbaus zu kümmern.
In der heutigen Zeit wäre das wohl sicher nicht mehr denkbar und möglich, und darum denkt der Schwarzwaldverein noch lange mit großem Dank an die Familiendynastie Hoesch und an die Gernsbacher Fabrik, die Gott sei Dank, noch immer vielen Menschen in unserem Murgtal gute Arbeitsplätze bietet und die den Namen „Gernsbach“ in alle Welt hinausträgt.
Richard Orth zur Seite stand Max Merkel, dessen Name in Gernsbacher Wanderkreisen ein Begriff für seine Tätigkeiten als Wander- und Wegewart und als Heimleiter des Vereinsheims gewesen ist. Seine familiäre Verbindung zur Firma „Bus-Merkel“ brachte es mit sich, dass die Mitglieder des Schwarzwaldvereins sehr bald ihre Städtereisen unternehmen konnten. In seiner Nachfolge wurden und werden auch heute noch von Mitgliedern des Gernsbacher Vereins und der Vereine des Bezirks Murgtal solche Fernreisen ehrenamtlich geplant und geleitet, wofür ihnen die Mitglieder und die Gäste herzlich dankbar sind.
Auf Richard Orth folgte dann von 1967 bis 1977 Ernst Kübler; von 1977 bis 1979 Rechtsanwalt Klein, der sein Vorsitzendenamt an Jürgen Spieß übergab, der bis 2007 insgesamt 28 Jahre Vorsitzender der Ortsgruppe war.
Hierzu eine Begebenheit, die sich dem Vernehmen nach wie folgt zugetragen haben soll: Als Ernst Kübler altersbedingt sein Geschäft an der Stadtbrücke aufgeben und es veräußern wollte, meldete sich Jürgen Spieß. Bedingung von Ernst Kübler war für die Übergabe, dass Jürgen Spieß nicht nur das Geschäft sondern auch den Vorsitz des Schwarzwaldvereins übernehmen musste. Küblers Meinung, dass entweder Bürgermeister oder Geschäftsinhaber einen renommierten Verein wie den Schwarzwaldverein zu übernehmen hätten, ging diesmal wirklich auf.
In einer Interimszeit von zwei Jahren, März 2007 bis März 2009, übernahm der Revierförster Rudolf Koch den Vorsitz.
Seit März 2009 ist der Diplom-Verwaltungswirt Richard Herzig Vorsitzender des Schwarzwaldvereins Gernsbach.
Zu erwähnen sei noch der 100-ste Geburtstag des Vereins, der zusammen mit dem Hauptverein Freiburg vom 25.- 27. Mai 1974 in der Gernsbacher Stadthalle gefeiert wurde, zugleich war es die 105. Hauptversammlung des Schwarzwaldvereins. Gastredner waren Regierungspräsident Dr. Person und der Präsident des Gesamt-Schwarzwaldvereins, Fritz Hockenjos.
Viele Mitglieder waren aktiv am Bau des Vereinsheims in der Faltergasse tätig.
Jugendliche und junge Erwachsene legten in unsäglich vielen Stunden Hand an, um für die Schwarzwaldvereins-Jugendgruppe einen Aufenthaltsraum zu bauen.
Möglich wurde dies zunächst durch einen Pachtvertrag vom 18. April 1966 zwischen Herrn Emil Drück bzw. Erben auf zehn Jahre zur Erstellung eines Aufenthaltsraumes für die Schwarzwaldvereins-Jugend.
Danach begann man 1988 mit dem Anbau an dies Provisorium. Aufenthaltsraum und Anbau entwickelten sich zu einem stabilen Gebäude, so wie es heute für Vereinsmitglieder und anmietende Gäste in der oberen Faltergasse zur Verfügung steht.
Allen, die hierfür Geld, Schweiß, Freizeit, Ärger und Verdruss geopfert haben, sei Dank gesagt, selbst dann, wenn sie nicht mehr Mitglieder des Vereins sein sollten.
Erwähnt sei hier auch das stete Bemühen um die Jugendarbeit.
Sieht man einmal von der nationalsozialistischen Zeit ab, so registrieren wir – wie schon erwähnt – das Engagement von Richard Orth für die Jugendarbeit.
Unterstützt wurde er von Rolf Mayer. Auf diese beiden folgten Elke Pfingst zusammen mit Rolf Finkbeiner. Als die beiden aus beruflichen und privaten Gründen ausscheiden mussten, übernahm Ingmar Pfingst die Jugendleitung.
Doch 1990 war auch damit leider Schluss, denn Beruf und Privatleben verlangten verständlicherweise ihren Tribut.
Umso erfreulicher können wir heute vermerken, dass die genannte Elke 2010 wieder zurückkehrte, als Richard Herzig den Vereinsvorstand übernommen hatte, und damit begann, eine Kindergruppe aufzubauen, die inzwischen so groß, wild und aktiv ist, dass Belinda Kolmann als zweite Jugendleiterin von Nöten ist. Beide werden unterstützt von dem Lehramtskandidaten Lukas Manz.
Allen dreien dankt der Verein für ihr Engagement; die jetzigen Kinder und Jugendlichen werden sich in späteren Lebensjahren gewiss dankbar erinnern.
Heute wird der Verein leider immer kleiner, die Alten sterben weg und es kommt kaum was nach.
Wandern, Reisen, Wegebetreuung und gesellschaftliches Miteinander verbindet uns und so soll und wird es bleiben, damit der Schwarzwaldverein Gernsbach 2154 zweimal 140 Jahre alt noch bestehen wird.
Vertrauen wir dazu auf Gott und auf die Menschen guten Willens.
gez. Richard Herzig